„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Sonntag, 8. Januar 2017

Gewalt: die gute, die böse und die andere



Was macht den Umgang mit der radikalmuslimischen, sogenannten „islamistischen“ Gewalt, so schwer? Warum wird versucht, sie zu relativieren, herunterzuspielen, abzukoppeln von rationalen Begründungen und geisteskranken Einzeltätern zuzuweisen?

Ich versuche es mal, mit dem über unsere Gesellschaft gestülpten „Rechts-Links-System“ zu erklären, dass sich mir so darstellt: „Links“ sind die sozialistischen Kräfte, die sich als moralisch hochwertig, humanistisch und progressiv verstehen, „Rechts“ sind die ebenso sozialistischen Kräfte, die aber ihren Sozialismus nur dem eigenen Volk gönnen. Dass Liberale in diesem System nicht vorkommen liegt daran, dass diese auf einer ganz anderen Position sind und über keinen aggressiven, gewalttätigen Rand verfügen.

Der linksradikale Rand und der rechtsradikale Rand unterscheiden sich in ihren Methoden und Ansichten nur minimal voneinander, ja eigentlich ist das einzige und alles entscheidende Unterscheidungsmerkmal die Einstellung dem Fremden gegenüber. Derweil der linke Rand der Meinung ist, man dürfe Brandsätze werfen um das Große Eiapopeia für Alle zu erreichen, woran nur das eigene Volk hindert, glaubt der rechte Rand, dass man Brandsätze werfen darf, um das Eiapopeia nur für das eigene Volk zu erreichen, woran nur alle anderen hinderlich sind. Der Aufbau des Eiapopeia, eine glückliche Volks- oder Menschengemeinschaft unter weiser Führung mächtiger Großer Vorsitzender, Großer Brüder oder Großer Führrrär, ist eigentlich immer wieder gleich und endet in einer Art glücklicher Diktatur der Großen Freiheit oder ähnlicher faktisch nicht fassbarer Visionen. Beide Seiten meinen es gut und wollen den Weltfrieden, sowie ihre Bedingungen erfüllt sind, und müssen dafür irgendwem ordentlich auf die Fresse hauen.
So weit, so schlecht.

Diese beiden Ränder wurden in unserer Gesellschaft historisch und ideologisch bedingt unterschiedlich bewertet. Links ist Gut und Rechts ist Böse. Das gilt auch für deren gewalttätigen Rand. Linke wollen nur das böse Rechte stoppen, feiern aktionistischen antifaschistischen Widerstand und schlagen ab und zu eben mal ein bisschen über die Stränge, während die Rechten das gute Linke bekämpfen und in brutalen Aufmärschen rechten Terror verbreiten. Unsere Medien transportieren es genau so: „Linksautonome“ protestieren gegen Hass und Hetze und demolieren dabei zufällig ein paar Autos und Häuser, was man aber verstehen muss, weil das eben junge Idealisten sind, während „Rechtsradikale“ aufmarschieren und Terror verbreiten, auch wenn da gerade mal ein Dutzend Hanseln stumm mit einem Plakat am Straßenrand steht und eigentlich nichts macht außer Wache zu stehen, ob nicht ein paar vermummte „Antifaschisten“ um die Ecke kommen.

Ich möchte dieses Ungleichgewicht nicht werten, es ist einfach da. Wir haben uns daran gewöhnt. Viele merken nicht einmal, dass bei einem Bericht über rechtsextremen Hass und Verhetzung der Gesellschaft ein Bild von einem Plakat gezeigt wird, auf dem steht: „Unseren Hass den könnt ihr haben!“ – ein Begleiter linksradikaler Randalierer gegen den FPÖ-Ball. Besser kann man nicht dokumentieren, dass zwischen hasszerfressene Gewalttäter eines beliebigen ideologischen Umfeldes kein Haar passt.

Aber jetzt kommt was Neues dazu: radikalmuslimische Gewalt. Axt- und Machetenschwinger, Messerstecher, Todesschützen, LKW-Terroristen. Leute, die das große muslimische Eiapopeia wollen, den Weltfrieden, wenn alle Ungläubigen ausgerottet sind, und dafür muss es nunmal was auf die Fresse geben. Strickmuster 08/15, eigentlich nix Neues, Menschen sind wie Menschen sind. Und die Gesellschaft weiß nicht, wie sie damit umgehen soll, die Politik und die Medien, brav linksgedrallt, sind ratlos. Warum?

Die muslimische Gewalt wird grundsätzlich von beiden Seiten abgelehnt, von der linken ebenso wie von der rechten. Auch von den Liberalen, aber wie erwähnt, stehen die eh abseits und werden nur aus Gründen der leichteren Begreifbarkeit von den einfacheren Gemütern der beiden Seiten meist der jeweils anderen zugeordnet, weil sie jeder Seite ausrichten, ihre Gewalt abzulehnen, einfach weil es Gewalt ist, unabhängig von Ziel und Ideologie..

Die linke Deutungshoheit legt nun erstmal der rechten Ablehnung muslimischer Gewalt niedere Motive der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus zugrunde. Rechte sind gegen „Islamisten“, weil sie grundsätzlich gegen alles sind, was anders ist als sie. Es muss nicht stimmen, aber es klingt stimmig, und das reicht. Damit tun sie sich jetzt schwer, gegen irgend etwas Fremdes zu sein, ohne selbst in dieses Generalisierungsschema zu fallen. Wer gegen das Gleiche ist wie die Rechten, ist ein Rechter, man kann nicht mit dem Erzfeind einer Meinung sein. Und dass der Erzfeind generalisiert ist ja bekannt, egal ob es stimmt, weil man es oft genug behauptet hat um es zur Tatsache zu formen, und deshalb muss man auch jedesmal warnen, man dürfe niemals einen „Generalverdacht“ aussprechen, was ja am Ende auch niemand tut, ja nicht einmal vorhat, aber wen interessieren schon Fakten in einer postfaktischen Diskussion.

Es wäre ja einfach, wenn die radikalmuslimische Gewalt eine freiheitskämpfende, progressive, „gute“ Gewalt wäre. Hat man ja versucht, in den „arabischen Frühling“ hineinzuinterpretieren, was bekanntlich schief gegangen ist und gehen musste. Ist sie nämlich nicht. Sie ist ganz im Gegenteil getragen von einer faschistoiden Ideologie, deren Grundaussagen sogar eher Blaupausen des rechten Randes sind, von der Familienfunktion über Frauenrolle, Ansichten zu Schwulen bis zum Umgang mit „Anderen“, auf eine Art und Weise sexistisch, nationalistisch und rassistisch, dass sie absolut gegen diese Gewalt sein müssen. Es aber nicht dürfen, weil, gelinde gesagt, die Falschen die falsche Gewalt ausüben. Wer für diese Gewalt ist, ist ein Faschist, wer dagegen ist, ein Rassist. Da im linken Weltbild diese beiden Begriffe immer eine Einheit bilden, tut der Spagat im Schritt verdammt weh.

Und das führt nun zu dem, was wir gerade erleben: die radikalmuslimische Gewalt wird vom Islam, von den Muslimen, von den „Fremden“, abgekoppelt. Der „Islamismus“ ward erfunden, ein Zwischending aus Geisteskrankheit und Falschauslegung einer Religionsschrift, die man seltsamerweise dann falsch auslegt, wenn man sie wörtlich befolgt. „Islamistische“ Gewalttäter sind psychisch labile, entwurzelte, blitzradikalisierte Einzeltäter, die große Ausnahme im Weltgeschehen, weil wirkliche Verbrecher immer „rechts“ sein müssen und rechts können nun einmal nur Einheimische sein, niemals Fremde. Nie. Denn Fremden das vorzuwerfen wäre, selbst wenn es stimmt, per se schon rassistisch und rechts. Was für eine Zwickmühle!

Also rettet man sich in diese zynischen inhaltsbefreiten Konstrukte, bastelt sich eine eigene Realität und schreit jeden, der diese anzweifelt, als Rassisten und rechten Hetzer nieder. Inzwischen selbst Leute wie Alice Schwarzer oder Sarah Wagenknecht, die nun beide so weit „rechts“ stehen wie der Pelz eines Pelikans schuppig ist. Das System geht sogar so weit, sich Abwehrmechanismen gegen das Durchsickern der unmöglichen Wahrheit zuzulegen, von „Verhetzungsparagrafen“ über „Kampf gegen hate-speech“ bis hin zum Betrieb privater Inquisitionen wie der „AAS“ in Deutschland. Da ein solches Vorgehen jede Analyse der Ursachen und jede Auseinandersetzung mit der Realität unmöglich macht, wird sich das Problem vertiefen.

Man kann gegen radikalmuslimische Gewalt und den dahinterstehenden politischen Weltherrschaftsanspruch der Religionsfanatiker nichts tun, wenn man sie einfach verleugnet und herunterspielt, um sich nicht im Netz der eigenen Ideologie zu verfangen. Die Linken müssen sich erst von ihrer eigenen Ideologie emanzipieren um sich effektiv dieses Problems annehmen zu können. (Sarah Wagenknecht hat das zumindest im Blick auf die Einstellung gegenüber Radikalmuslimen und Salafisten bereits getan, was ihr schon eine Torte eingebracht hat und Wutausbrüche der eigenen Genossen. Dass sie als Grundübel hinter Allem den Neoliberalismus und die Reichen vermutet, sei ihr geschenkt, sie ist halt Kommunistin, aber eine lernfähige. Selten in diesem Biotop.)

Ob die Linken das schaffen, bleibt abzuwarten. Der Islam ist nicht das Einzige, was hier in Europa eine schwere Modernisierung erfahren muss, um eine Katastrophe abzuwenden.

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