„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Samstag, 9. Dezember 2017

Tür 8

Oh, du fröhliche… gestern war ja ein besinnlicher Vorweihnachtsfeiertag. Zumindest für alle, die nicht im Handel arbeiten. Obwohl die trotzdem alle in den Geschäften waren und dafür gesorgt haben, dass die, die Dienst haben, auch noch einen richtig stressigen Tag bekommen.
Ich gestehe, seit Anbeginn des Festtags-Handels ein strikter Einkaufsverweigerer zu sein. Nicht, dass ich etwas gegen 24/7-Geschäftsöffnung hätte oder dagegen, dass Geschäfte selbst festlegen, wann sie öffnen. Ich mag einfach diesen Halligalli nicht. Parkplatzsuche, Geschubse, permanente Sorge um die Geldbörse – da verzichte ich gern drauf. Mit den Kindern über den Adventmarkt bummeln, ein bisschen heimische Schnitzkunst für die Fensterdeko besorgen und bei einem Glühwein die innere Wärme bei äußerer Kälte genießen, während die Kleinen zehn Runden mit der Weihnachtsbahn drehen und einmal etwas dermaßen Ungesundes essen dürfen, dass sie sich ein ganzes Jahr auf das nächste Mal freuen können, das ist genossene Lebenszeit. (Nein, kein Luxus. Luxus ist, sich aus einem 59er Beaujolais einen Glühwein zu machen.) Die Kinder schreiend durch Diskontertempel zerren, am Grabbeltisch um das letzte ausgefranste Gerät kämpfen und dann die verständlich gelangweilten quengelnden Fratzen eine halbe Stunde zur überfüllten Kasse schieben – das ist vergeudete Lebenszeit. Mal Anzahl der Mitglieder der ganzen Familie.

Hinter dem 8. Türchen des medialen Adventkalenders fanden sich gestern auch wieder einige Schmankerl.

So etwa dieses Beispiel, dass man den Medienkodex ruhig einhalten und die Herkunft oder Wie-lange-hier-Lebensdauer eines Täters verschweigen kann:

Mann belästigt und würgt Frau in Stadtbahn“

Der geht einfach her, setzt sich zu einer Neunzehnjährigen, tatscht die an und als die seine „Avancen“ nicht erwidert, dreht er ihr mit dem Schal die Luftversorgung zu.
Über zwei Dinge kann man sich sicher sein:
Erstens weiß jeder, was sich hinter „Mann“ verbirgt. Wettbüros hätten ihren Spaß. Und nur Feinde ihres Geldes setzen auf „Deutscher mit vier deutschen Großeltern“, um es mal mit der Nazi-Definition der evangelikalen Dampfnudel Käßmann zu sagen.
Und Zweitens wird er kaum eine Rolle in der #metoo-Debatte spielen. Denn merke: Wenn eine aufdringliche Jungjournalistin einem Altpolitiker ihre halbnackten Tüten vors Gesicht hält und der wagt es, die auch noch anzugaffen, dann gibt das einen #Aufschrei, tatscht ein Merkel-Gast aber ein einfaches Stadtmädchen, das nur in Ruhe heimfahren möchte, an und würgt sie, dann ist das gelebte Buntheit und muss mit Toleranz ertragen werden. Was bei Schon-länger-hier-Lebenden sexistische Gewalt ist, gilt bei Neubürgern als „Avcancen machen“. Vielleicht geht man auch generalverdächtig davon aus, dass Mädchen in Stuttgart eh durch die Bank grün gewählt haben und deshalb sowieso erpicht sind, sich den Früchten grüner Einwanderungsbegeisterung willig hinzugeben.

Das Fratzenbuch hat eine Anti-FPÖ-“Satire“-Seite abgedreht, weil die wohl ein bisschen übertrieben haben mit den ganzen Hitlerbildchen und so. Jetzt tobt natürlich die linke Filterblase. Was die nicht begreifen ist, dass genau das die Ernte ihrer eigenen Saat ist. Immer nach Verboten schreien und nach Facebook-Sperre für alles, was ihrer Meinung nach „Hetze“ ist, aber ob das was sie selbst produzieren anderen (vor Allem: Betroffenen) als „Hetze“ erscheinen könnte und die gleichen Regeln dann für sie gelten, das haben die nie bedacht.
Auch hier gilt: Wie bestellt, so geliefert.

Am Besten finde ich ja die im „Standard“-Forum zu lesenden Tobsuchtsanfälle der plötzlich die Liebe zur Meinungsfreiheit entdeckenden Linken, die gerne mal für jeden Nichtlinken sofortige Sprechverbote fordern. Und da quellen unter den Aluhüten die wildesten Theorien über den Kniefall von Facebook vor den neuen Machthabern in Wien. Und die halten andere für krude Verschwörungstheoretiker und Gläubige alternativer Fakten. Es ist zum Zerkugeln!
Genauso blöd finde ich aber auch die „Wird Zeit das sowas abgedreht wird!“-Kommentare der Blaufinken im Rotkehlchenforum. Es zeigt nämlich die Ähnlichkeit der Denkweise; man regt sich auf, wenn Facebook die eigenen Seiten sperrt und freut sich diebisch, wenn es der Gegenseite passiert.

Völlig ausgeblendet wird dabei, dass es erstens vollkommen irrelevant ist, was Facebook macht. Gerade die erklärten Todfeinde amerikanischer Milliardäre wollen denen plötzlich Verantwortung für die Meinungsfreiheit einfordern und vergessen, dass es Zuckerberg nur um eines geht: Geld. Die glauben, nur weil sie etwas gratis bekommen, ist es kostenlos. Ist es nicht. Sie haben nur die Währung nicht begriffen. Und zweitens ist das einzig Bedenkliche an der Geschichte der staatliche Druck, der Facebook in Europa erst zu solchen Löschorgien unter Androhung von Millionenklagen zwingt.

Was war noch? Naja, das Dauerthema Trump und der Nahe Osten. Die Stimmen der Deppen, die die gesamte gescheiterte Nahostpolitik der letzten 40 Jahre an Trump nageln wollen, werden leiser und tauchen wieder in ihre Filterblase. Immer mehr sehen ein, dass es vielleicht ungeschickt von Trump war, aber die tobenden Palästinenser jetzt keine Erfindung der letzten Woche sind.

Übrigens gibt es da ein leckeres Video aus der Zeit, als sich „Extra3“ noch nicht als reines „Rechten-Bekämpfungs-Programm“ verstand; ein Zeitdokument, wie die letzten Jahre die Deutsche Medienlandschaft verändert und die Grenzen des Sagbaren verschoben haben:


Ach ja, einen vom Kaliber des letztens erwähnten „Hirsch mit Warnweste“ hab ich noch. Da findet sich mal wieder etwas Seltsames in der „Presse“:

Schwarzfahrerin bespritzt Polizisten mit Muttermilch“

Allein diese Schlagzeile kann man schon erst so stehen und dann sich setzen lassen.

Die 30-Jährige und ihr 20-jähriger Begleiter wurden am Donnerstag bei einer Kontrolle in einem Regionalexpress ohne Fahrschein erwischt, wie die Polizei am Freitag in Berlin mitteilte. Als Beamte am Bahnhof die Identität der beiden überprüfen wollten, verweigerten sich diese.“

Naja, diese Verhaltensweise lässt erahnen, dass der Begriff „Schwarzfahrer“ einen, sagen wir mal so, situationsrassistischen Hintergrund hat. Da ist auch kreatives Verhalten in Stresssituationen inkludiert.

Auf dem Weg zum Polizeifahrzeug warf sich der junge Mann zu Boden und widersetzte sich den Beamten.“

Ich höre direkt seine Schreie „Rassist! Ihr mich schlagen! Rassist!“

Während dem 20-Jährigen die Hände gefesselt wurden, entblößte sich die 30-Jährige und bespritzte die Beamten mit Muttermilch. Anschließend beruhigte sich die Lage.“

Entweder haben die Beamten einen Lachanfall bekommen, als die ihre Euter ausgepackt hat.
Oder das war die Kuh vom Hirsch mit Warnweste und das Melken war überfällig.
Wer weiß.

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